Erstellt: 15. Juli 2014

Das Ding ist gelaufen. Götze! Ein talentierter Jungmillionär erlöste uns und wendete an diesem denkwürdigen Tag mehr Depressionen und Herz-Kreislaufprobleme ab als die Ärzte, verhinderte mehr Tumulte als die Polizei, und produzierte mehr Glück als die Glücksspirale. Deutschland brüllte. Spätestens nach dem brasilianischen Untergang waren die meisten von uns vom Turniersieg unserer Mannschaft überzeugt gewesen. Doch dann spannten sich 113 Minuten, bis an diesem 13. Juli das erste und letzte Tor fiel. Deutschland erzeugte in dieser Sonntagschicht mehr Adrenalin als Aspirin. In Minute 111 zündete ich die dritte Zigarre des Abends. Vorsicht war geboten. Das musste genau die richtige sein, denn sonst hätte Götzes Ball zwei Minuten später den Torwart oder die Latte getroffen, wäre über das Ziel hinausgeschossen oder ins Aus gekullert, falls er ihn überhaupt hätte annehmen können. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte ich die falsche Zigarre gewählt. Doch so gab's Jubel, Trubel, Heiterkeit. Was jetzt kommt, wissen wir. Es wird herauf- und herunter geschrieben, gedeutet und phantasiert, was das Zeug hält. Überheblichkeit macht sich breit. Das „Sieger-Gen"Gequatsche lieferte breiigen Vorgeschmack. War vor Wochen der Führerscheinentzug des Bundestrainers ein Grund für Rücktrittsforderungen, erfahren wir nun, dass der bodenständige Löw eine Privatpilotenlizenz anstrebt. Das ist uns aufgefallen; der Sportjournalismus hat sich zu Gunsten eines Event-Marketings aus dem Fernsehen verabschiedet. Ob das ein spezifisch deutsches Problem ist, darf bezweifelt werden. Gleich zweimal wurde die Cristo-Statue vor der untergehenden Sonne in die Finalübertragung eingeblendet. Man hätte auch das Wembley-Tor, den Ohr-Biss von Mike Tyson oder ein Kinderfoto der Kanzlerin zeigen können. Was eigentlich brachten uns die so genannten Berichterstatter und Kommentatoren an Interessantem nach, hinter und zwischen den Spielen nahe? Eigentlich nichts, außer Schlaglichtern in penetranter Wiederholung. Dabei war man nie zuvor schneller imstande beispielsweise Laufwege, Ballgeschwindigkeiten oder Reaktionszeiten darzustellen. Statt dessen grinste der Titan a. D. im harmonischen Palaver. Wenigstens Scholl drehte mal kurz auf. Und wie war das mit den journalistischen Grundfragen - wann, wo, wer, was, wie, warum? Wenn überhaupt einmal sinnvolle Fragen gestellt wurden, dann eigentlich immer den Falschen. Kein Wunder, daß Müllers Thomas, der im Halbdunkel einer Pressekonferenz allein an der Dämlichkeit der Frage zielsicher RTL als Urheber ausmachte, am Schluß alles außer dem Pott einen „Scheißdreck" interessierte. Falls Sie jetzt von mir wissen wollen, welche Siegerzigarre ich gewählt habe, werde ich lächelnd schweigen. Ist ja schließlich nicht mehr lange hin bis zur EM.