Erstellt: 06. März 2014

„Achtung! Sie verlassen den demokratischen Sektor“, warnten Schilder einst Reisende, die inmitten Deutschlands von West nach Ost unterwegs waren, wo Leute wie Ulbricht das Sagen hatten, denen es darauf ankam, die Fäden in der Hand zu behalten, wenn es nur demokratisch aussah. Um Verwirrung zu stiften, nannte sich der Staat von Moskaus Gnaden auch noch Deutsche Demokratische Republik. Doch schaut man genau hin, dann trägt die größte DDR der Weltgeschichte rückwirkend ihren Namen ganz zu recht. Denn die Bevölkerung jenes Landstrichs zwischen Werra und Neiße nahm sich am Ende demokratische Rechte heraus, von denen ihre späteren westlichen Mitbürger nur träumen konnten. Die Ostler kippten zwei Regierungen und ein System binnen Monaten, während just um diese Zeit Hugo Egon Balders TV-Tittenparade Tutti Frutti des Westens einzige Revolution war. Was wunder, wer hätte denn jemals schon mal von einer Demokratischen Bundesrepublik Deutschland gehört? Geht auch gar nicht. Wenn Bund, Länder und Regierung den Karren in verschiedene Richtungen zerren, wie soll das denn demokratisch sein? Zumal in Anbetracht zehntausender Lobbyisten und einer Europäischen Union, die mit ihren Instrumenten, allen voran gottgleicher Bürokratie, bis tief hinein in Ihr persönlichstes Leben wirkt. Ob Sie beim Löschen des Nachttischlämpchens eine Glüh- oder andere Leuchte zum Erlöschen bringen, ob die Banane, die Sie Ihrer Gefährtin darreichen auch krumm, respektive gerade genug ist, oder ob Sie Schwierigkeiten mit der Obrigkeit bekommen, wenn Sie hier oder da eine Zigarre genießen möchten, wird von allen möglichen Leuten, schlussendlich aber von den Eurokraten bestimmt. Gut; man kann welche von denen wählen, demnächst. Irgendwie. Die da oben, wir hier unten. Es geht schließlich um Sie. Um Ihren Anteil an der Gesellschaft: um Ihre Mitwirkung; Ihren ganz persönlichen demokratischen Sektor sozusagen. Die Amis können ruhig mitlesen. Suchen Sie ihn bloß nicht unter der Bettdecke oder im Badezimmerschrank. Nicht den Ami. Der ist eh überall. Nein, den demokratischen Sektor. Ihr demokratischer Sektor erstreckt sich zum Beispiel, abhängig von den Abmessungen Ihres Screens, durchaus mit verständlicher Benutzeroberfläche, unter anderem auf der Internetseite des Deutschen Bundestages. Schon mal was von Petitionsausschuss gehört? Was das ist? Sozusagen eine Auktion für politische Entscheidungen. Man findet etwas, das einem gefällt und bietet mit, stimmt also zu. Oder man bringt etwas ein, das einem gefällt, und andere stimmen zu. Etwa so: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass ein rechtschaffener Mann nach den Tages Mühen ohne Anfechtungen seine Zigarre nebst gepflegten Getränken genießen kann, ohne sich vorab und dabei Fotos von verkrebsten oder verfaulten Organen verblichener Mitmenschen ansehen zu müssen. Denn es ist unbestritten fakt, daß sämtliche Organe verfaulen und nahezu alle verkrebsen auch ohne Mitwirkung von Zigarren. Zigarre zu Krebs ist wie Mineralwasser zu Ertrinken. Man druckt ja schließlich keine Bilder von Wasserleichen auf Mineralwasseretiketten…“ So oder ähnlich könnte und kann jeder von uns um Aufmerksamkeit für (s)ein Anliegen werben. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Was vielleicht sogar die Neugier Ihrer besseren Hälfte herausfordert. Auf den liebevoll vertrauten Satz: „Na du Assi, guckste wieder Porno, statt bettseitig zu praktizieren?“ können auch Sie künftig ihrer besseren Hälfte überlegen und sozial engagiert antworten: „Nee du; weder noch. Ich praktiziere Demokratie, indem ich rasch eben noch eine Petition in den zuständigen Ausschuß des Bundetages einbringe."