Manchmal hat man es als Zigarrenhändler nicht einfach. So viele Kunden, so viele Fragen. Immer wieder gewünscht werden Antworten auf die Fragen, welche Zigarren Winston Churchill oder Fidel Castro, Rudi Assauer oder Ludwig Erhard rauchten. Die richtige Antwort wäre; immer die, welche sie sich zuvor angezündet hatten. Aber dergleichen kommt bei der Kundschaft schlecht an. Also beliest man sich und liefert sich damit der Überlieferung aus. Man webt an Legenden, wird zum Kolporteur. Alles wejen de Leut, wejen de Leut. Ja, Sir Winston liebte die Julieta No. 2 von Romeo y Julieta besonders, weshalb sie nach ihm benannt wurde. Castro ließ die Cohiba für sich fertigen, Assauers Rudi hielt es neben Frau Thomalla mit Davidoff und Erhard, Professor Erhard genau genommen, hielt sich an die, euphemistisch ausgedrückt, landläufigsten aller maschinell hergestellten Zigarrenfabrikate. Undenkbar, dass ein Mann von Welt und Klasse heute in guter Gesellschaft dergleichen aus dem Etui zöge. Warum aber will jemand das wissen? Weil es gut ist, zu wissen, was jemand Berühmtes getan hat, denn vielleicht wurde er dadurch berühmt, daß er es getan hat. Deutschland sucht den Superstar. Auch weiterhin. Eine Stammkundin vertraute mir neulich an, sie habe, als sie im musealen Gartenhaus eines deutschen Dichterfürsten für einen Moment unbeobachtet gewesen sei, einen Blick in die Bettpfanne des überlängst Verblichenen getätigt. Was erwartete sie zu finden; getrocknete Genieködel? Man stelle sich das Inventarverzeichnis der Gedenkstätte vor: Position 287678/2 lutum vermutl. 22. März 1832 oder doch noch vom 21. März 1832? Nächste Frage; was hätte die gute Frau damit vorgehabt? Pulverisiertes Exkrement im Nachmittagskaffee aufgelöst genießen, um den eigenen Geist zu heben? Nein, was Heißgetränke auf pulverisierter Basis anbetrifft, so bleibe ich auch als Stadtmensch eisern beim Landkaffee. Apropos Land; da lobe ich mir einen guten Bekannten, der auf seinem Bauernhof ein Schild angebracht hat, auf dem in fetten Lettern zu lesen steht HIER WAR GOETHE. Und ganz klein darunter das Wörtchen nicht. Nun, das Schild kannte ich bereits, es wird in jedem zweiten Scherzartikelladen gehandelt. Was mich für ihn einnahm war vielmehr die Antwort auf meine Frage, warum er das Schild angebracht hat: „Weiß ich nicht mehr; ist mir aber auch egal.“