Erstellt: 14. Juli 2015

Der reiseweltmeisterliche Führungsanspruch der Deutschen ist nicht problemlos. Das hemmungslose Vorzeigen von Wohlstandsinsignien in weniger betuchten Regionen der Welt kann Menschen von dort dazu verleiten, arglosen Deutschen den Schädel einzuschlagen, um sie besser abernten zu können. Oder aber die Armen machen sich gleich selbst auf den Weg in das Land auf, wo Milch und Honig fließen und diese Prachtexemplare des wirtschaftlichen Erfolges das Straßenbild dominieren sollen, und ganz versessen darauf sein müssen, ihren Wohlstand zu teilen. Diese Völkerwanderung könnte man durchaus als Großprojekt begreifen, ohne dabei zu vergessen, daß Deutschland seit geraumer Zeit enorme Probleme mit jeglichen Großprojekten hat; egal ob sie nun Stuttgart 21, Elbphilharmonie, Gewehr 36, Berlin-Brandenburg-Airport, Airbus 400, Hubschrauber NH 90 oder Drohne Maja heißen.
Merkeln sie was? Unter uns Pastorentöchtern, alles was eigentlich fliegen sollte, fliegt uns gerade um die Ohren. Das Manko hinter allem: Das Großprojekt Wahrhaftigkeit wird stets ganz klein geschrieben. Die „Mit mir keine Maut - alternativlos“- Regentin in Berlin praktiziert ununterbrochen Alternativen zu ihren selbst verkündeten Nichts und Niemals. Wen wundert es, daß unter solchen Umständen ihre mitbürgerlichen Follower ein ausgeprägtes Grundtalent entwickelt haben, sich immer und überall, warum nicht also auch im Ausland, betrügen zu lassen? Bei bestem Gewissen freilich.
So zum Beispiel hat es den Anschein, daß sich jeder Deutsche, der einmal den Fuß auf den Strand von Varadero gesetzt hat, sogleich als Cuba-Insider betrachtet. Zurück in Recklingburg oder Neubrandenhausen verblüfft er sogleich durch seine neu gewonnenen Erkenntnisse die Umwelt. Man erkennt die Situation daran, daß ein solcher Cubakundiger zum Beispiel eine LA CASA DEL HABANO betritt und sich mehr oder weniger herablassend erkundigt, ob man denn Cohiba-Zigarren kenne oder gar führe. Ja, das ist an sich schon fettig genug, aber es kommt noch doller. Die Fachhändler können Choräle davon singen. Sodann betritt der Cubakundige einen Klimaraum und schaut fachkundig auf die anmutig duftenden Premium-Longfiller hernieder; das heißt, er schaut nur nach den Preisen. Von Zigarren versteht er ja nicht viel, aber alles von Wirtschaft und der Welt. Seine Gesichtszüge beginnen, sich vergnüglich zu kräuseln. Nicht zu übersehen, daß er sich freut. Er freut sich, weil ihm irgendein Pedro oder sonst wer die einzigartige Gelegenheit verschafft hat, ein tüchtiges Schnäppchen zu machen. Pedro kennt einen, dessen Bruder einen kennt, der in der Cohibafabrik arbeitet und immer fleißig ein paar Kisten beiseite bringt. Und nun hat der Cubakundige satte vier Kisten mit jeweils 25 wohlgetrockneten Esplendidos á 4 Dollar das Stück zu Hause und der sogenannte Fachhändler in seiner Heimat hält ihn doch allen Ernstes für blöde genug, ihm die Dinger für über 30 Euro pro Stück anzubieten. Der Cubakundige fühlt sich reich, grenzenlos überlegen und kann nun auch nachvollziehen, was ein investigativer Journalist beim Enthüllen eines Skandals fühlt. Sauerei; in Deutschland verlangen sie also tatsächlich das Siebeneinhalbfache für Cohibas. Ein Thema für Wutbürger. Für die BGDÜDCZ-Bewegung (Bürger-gegen-die-Überteuerung-der-Cohiba-Zigarren).
Nicht mit mir, denkt der cubakundige Weltbürger und beschließt, sein Wissen vorerst für sich zu behalten und allein davon zu profitieren. Warum schließlich hat man Bildung gelernt? Um zu den Gewinnern der Globalisierung zu gehören. In Thailand beispielsweise sind nicht nur Nutten billig, es werden auch Rolexuhren für 150 Dollar verkauft. Und demnächst geht es nach England. Schweini ist ja auch schon dort. Und wenn man da einen träfe, der bei Rolls-Royce schafft; wer weiß. Es ist doch so einfach. Man läßt sich irgendwo vor Ort einfliegen, und bekommt supergünstig und original alles Mögliche, von der Cohiba bis zur venerischen Erkrankung. Man muß nur wissen wie.